Verfasst von Rechtsanwalt Max Rohling 19. Oktober 2021 · Aktualisiert: 14. Dezember 2021

Was war passiert?

Eine Arbeitnehmerin hatte ihr Arbeitsverhältnis selbst ordentlich und fristgerecht gekündigt. Für die Dauer der Kündigungsfrist legte sie ihrem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. Grundsätzlich hätte sie Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, § 3 EntgFG. Doch der Abreitgeber verweigerte die Zahlung.
Daraufhin klagte die Arbeitnehmerin beim Arbeitsgericht. Dieses sah die Anspruchsvoraussetzungen als gegeben an und verurteilte den Arbeitgeber zur Zahlung. Auch das Landesarbeitsgericht bestätigte die Entscheidung. Der Arbeitgeber ging jedoch in Revision und hatte damit vor dem Bundesarbeitsgericht Erfolg, Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 8. September 2021 – 5 AZR 149/21 –, Pressemitteilung 25/21 vom 08.09.2021.

„Beweiswert erschüttert“

Grundsätzlich ist die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) der Nachweis über die Arbeitsunfähigkeit. Die AU-Bescheinigung ist als Beweismittel gesetzlich vorgesehen, vgl. § 5 EntgFG. Daher ist es grundsätzlich erst einmal ausreichend, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (rechtzeitig!) vorlegt. Allerdings kommt es oft vor, dass der Arbeitgeber die Bescheinigung anzweifelt. Dies kann er jedoch nicht nach freiem Belieben tun, die Zweifel müssen vielmehr ernsthaft und begründet sein. Wenn der Arbeitgeber tatsächliche Umstände darlegt und ggf. beweist, die Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit geben, wird hierdurch der Beweiswert der Bescheinigung erschüttert. Erst dann ist es am Arbeitnehmer, die Zweifel auszuräumen.

Die ernsthaften Zweifel hatte der Arbeitgeber vorliegend darauf gestützt, dass die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit exakt die Dauer der Kündigungsfrist umfasste. Die Arbeitnehmerin hat ihren Arzt nicht als Zeugen benannt. Hätte sie ihre Arbeitsunfähigkeit bewiesen, hätte sie auch die Zahlungen vom Arbeitgeber erhalten müssen.

Was kann der Arbeitnehmer tun?

Wichtig: Die Entscheidung des BAG bedeutet keineswegs, dass eine Entgeltfortzahlung wegen Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum zwischen Kündigungserklärung des Arbeitnehmers und Beendigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich ausgeschlossen ist. Das BAG hat jedoch klargestellt, dass bei einer Erstbescheinigung, welche passgenau die Dauer der Kündigungsfrist abdeckt, der Arbeitgeber berechtigte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit haben kann. Diese Zweifel kann der Arbeitnehmer ausräumen, indem er beispielsweise den bescheinigenden Arzt als Zeuge für das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit benennt. In dieser Situation der Beweislastverteilung muss der Arbeitnehmer umfassend vortragen und Beweis anbieten. Unterbleibt dies, so werden die Zweifel des Arbeitgebers nicht ausgeräumt, der Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht dann nicht.

Tipp: Schnell handeln!

Betroffene Arbeitnehmer sollten schnell handeln. Sofern vertraglich Ausschlussfristen für die Geltendmachung von (Zahlungs-)Ansprüchen vereinbart wurden, gelten diese auch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Wird der Anspruch nicht innerhalb der Frist geltend gemacht, kann es sein, dass der Arbeitgeber allein deshalb nicht zur Zahlung verpflichtet ist.