Urteiltext: Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 07.03.2022, 19 Ca 10127/21

„Es ist keineswegs gesichertes Recht, dass ein Aufruf zu einem sogenannten wilden Streik einen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten darstellt. Die Frage, ob die Teilnahme hieran einen Kündigungsgrund darstellt, stellt sich somit heute grundlegend anders als vor dem Inkrafttreten der Europäischen Grundrechtecharter.“

Verfasst von Rechtsanwalt Martin Bechert 30. April 2022 · Aktualisiert: 30. April 2022

Streikrecht

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses.

Der Kläger war seit dem 23.02.2021 als Fahrradauslieferungsfahrer tätig. Der schriftliche Arbeitsvertrag wurde geschlossen mit der GT GmbH. Das monatliche Bruttoentgelt betrug circa 1.050,00 Euro. Das Arbeitsverhältnis war befristet auf den 22.12.2022. Der Kläger hat den Arbeitsvertrag im Original unterschrieben. Unter dem Vertrag befindet sich eine elektronische Signatur, über deren Wirksamkeit die Parteien streiten.

Mit Schreiben vom 04.10.2021 (Ablichtung Blatt 46 der Akte) wurde seitens der GO GmbH & Co. KG, auf die das Arbeitsverhältnis nach deren Behauptung übergegangen war, die außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses erklärt.

Hiergegen richtet sich die am 08.10.2021 bei Gericht eingegangene und der damaligen Beklagten am 26.10.2021 zugestellte Klage. In dieser wendet sich der Kläger zugleich gegen die vereinbarte Befristung zum 22.02.2022. Unter dem Datum des 14.12.2021 erklärte die jetzige Beklagte zu 2) vorsorglich erneut die außerordentliche fristlose Kündigung eines etwaig noch bestehenden Arbeitsverhältnisses. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in den Akten befindliche Ablichtung (Blatt 354 der Akten) verwiesen.

Hiergegen richtet sich die am 23.12.2021 bei Gericht eingegangene Klageerweiterung, mit der die Klage gleichzeitig auf die jetzige Beklagte zu 2) erweitert wurde.

Der Kläger bestreitet das Vorliegen eines wichtigen Grundes jeweils für die Kündigungen. Die Befristung des Arbeitsverhältnisses sei nicht wirksam vereinbart worden, da die elektronische Signatur seitens der Beklagten nicht geeignet sei, das Schriftformerfordernis zu erfüllen.

Die Kündigung vom 04.10.2021 sei ohnehin deswegen unwirksam, weil der Kläger seinerzeit sich wirksam als Wahlbewerber zur Wahl des zwischenzeitlich gewählten Betriebsrates aufgestellt habe. Er ist nicht als aktives Mitglied in diesen Betriebsrat gewählt worden.

Die Beklagte behauptet das Vorliegen jeweils eines wichtigen Grundes für die beiden außerordentlichen Kündigungen. Dem Kläger stehe auch kein besonderer Kündigungsschutz als Wahlbewerber zu.

Die streitgegenständliche Befristung sei wirksam vereinbart worden, da die qualifizierte elektronische Signatur geeignet sei, das Schriftformerfordernis zu erfüllen.

Im Einzelnen trägt die Beklagte vor:

Die Kündigung vom 04.10.2021 sei wirksam, da der Kläger rechtswidrig zu einem wilden Streik aufgerufen habe. Zuvor sei er bereits wegen unentschuldigten Fehlens abgemahnt worden.

Am 22.07.2021 habe die ursprüngliche Arbeitgeberin des Klägers im Anschluss an einen nicht gewerkschaftlich organisierten Streik eine elektronische Mitteilung an alle Mitarbeiter geschickt und darauf hingewiesen, dass es sich um einen illegalen Streik handele, der disziplinarische Konsequenzen habe. Die Information erfolgte offenbar in englischer Sprache (Schriftsatz vom 20.12.2021, Seite 4, Blatt 74 der Akten). Der Betrieb der ursprünglichen Beklagten sei im Wege des Betriebsüberganges mit Wirkung zum 01.10.2021 bezogen auf den operativen Bereich auf die GT GmbH übergegangen.

Am 02.10.2021 hätten sich die Fahrer vor dem Lagerhaus versammelt, um über die Einleitung eines Streiks abzustimmen. Die Versammlung sei vom Kläger geleitet worden. Der zuständige Vorgesetzte habe mitgeteilt, dass dieser wilde Streik als illegal angesehen werde und dass jeder Teilnehmer des Streiks als nicht erschienen eingetragen wird und die entsprechenden Konsequenzen folgen würden. Der Kläger habe behauptet, die Arbeitnehmer hätten das Recht zu streiken. Der Vorgesetzte habe den Streikenden erneut mitgeteilt, dass es sich um einen illegalen Streik handele und dass ihre Schichten als Nichterscheinen gewertet und nicht bezahlt würden und dass andere rechtliche Konsequenzen gezogen werden könnten und sie wieder an die Arbeit gehen sollten. Der Kläger habe erneut auf ein Streikrecht verwiesen und die Arbeit nicht wiederaufgenommen. Gegen 10:00 Uhr am 04.10.2021 sei der Vorgesetzte erneut wegen eines möglichen Streikes kontaktiert worden. Auch hier habe er wieder darauf hingewiesen, dass der Streik illegal sei.

Der Kläger, der die Gruppe geleitet habe, habe ihm gesagt, dass sie eine Abstimmung durchführen würden, um zu entscheiden, ob sie mit den Fahrern der Schicht streiken würden oder nicht. 8 von 11 Fahrern hätten sich für den Streik entschieden und tatsächlich auch gestreikt.

Die daraufhin ausgesprochene außerordentliche Kündigung sei wirksam. Durch den Aufruf zum wilden Streik und die Leitungsfunktion des Klägers sei ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Absatz 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) gegeben. Der Kläger habe auch keinen Sonderkündigungsschutz als Wahlbewerber, wie die Beklagte näher ausführt (Schriftsatz vom 20.12.2021, Seiten 11 fortfolgende, Blatt 81 fortfolgende der Akten).

Die streitgegenständliche Befristung sei auch wirksam gewesen. Die GT GmbH habe dem Kläger am 18.02.2021 einen befristeten Arbeitsvertrag als signierfähiges PDF-Dokument übersandt. Daraufhin sei eine wirksame qualifizierte elektronische Signatur eines zertifizierten Anbieters für videobasierte Identitätsüberprüfungen erfolgt (Schriftsatz vom 20.12.2021, Seiten 13 folgende, Blatt 83 folgende der Akten).

Selbst wenn ein Sonderkündigungsschutz bestanden hätte, sei die Kündigung vom 14.12.2021 wirksam. Ein Sonderkündigungsschutz würde mit Aushang des Wahlergebnisses enden, also nach Kenntnis der Beklagten am 08.12.2021. Auf Grund des Betriebsüberganges auf die Beklagte zu 2) gehe diese davon aus, dass der bei der Beklagten zu 1) gebildete Betriebsrat für das etwaig noch bestehende Arbeitsverhältnis vom Kläger nicht mehr zuständig sei. Gleichwohl sei der Betriebsrat angehört worden. Die Ausschlussfrist des § 626 Absatz 2 BGB sei angesichts des Geschehensablaufes auch für die zweite Kündigung gewahrt. Die Kündigungsgründe seien dieselben wie für die Kündigung vom 04.10.2021.

Der Kläger erwidert hierauf wie folgt: Es habe ein besonderer Kündigungsschutz nach § 15 KSchG (Kündigungsschutzgesetz) bestanden. Darüber hinaus habe kein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Absatz 1 BGB vorgelegen. Es Sei ein Wahlvorstand wirksam bestellt worden und der Kläger auf einer Vorschlagsliste geführt worden. Der Wahlvorschlag habe auch die vom Gesetz geforderten mindestens 50 Stützunterschriften enthalten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 28.02.2022, Seiten 2 fortfolgende (Blatt 391 fortfolgende der Akten) verwiesen. Mithin sei diese Kündigung bereits wegen des Sonderkündigungsschutzes unwirksam gewesen.

Darüber hinaus habe kein wichtiger Grund bestanden. Die Abmahnung sei nicht einschlägig. Das Schreiben sei dem Kläger auch unbekannt. Auch die elektronische Mitteilung vom 22.07.2021 sei keine Abmahnung. Es sei kein konkretes Verhalten des Klägers benannt worden, dass im Wiederholungsfall zu disziplinarischen Konsequenzen führen würde. Eine Abmahnung im Zusammenhang mit den Vorgängen am 02.10.2021 habe auch nicht mündlich stattgefunden. Der Kläger habe am 02.10.2021 mit verschiedenen Personen über ausstehenden Lohn gesprochen. Ob der Kläger zu dem konkreten Zeitpunkt zur Schicht eingeteilt worden war, könne er heute nicht mehr sagen. Der Kläger habe am 02.10.2021 vor dem Lagerhaus über die Rechtslage diskutiert. Es sei ihm vonseiten Dritter auch bestätigt worden, dass ein Streik rechtens wäre. Der Kläger komme aus Frankreich, wo das Streikrecht bekanntermaßen deutlich liberaler sei als das deutsche. Somit fehle es beiden Kündigungen an einem wichtigen Grund. Die Befristungsabrede sei auch unwirksam, da seitens des Klägers keine Identitätsprüfung stattgefunden habe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren sowie auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Kündigung vom 04.10.2021 ist rechtsunwirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet. Die Kündigungsschutzklage ist rechtzeitig erhoben worden.

1.1. Auf das Bestehen eines Sonderkündigungsschutzes kommt es nicht an, da es an einem wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung im Sinne von § 626 Absatz 1 BGB mangelt.

1.1.1. Gemäß § 626 Absatz 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, das heißt typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht.

Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen.

Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf.

Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind.

Im Vergleich zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung in Betracht. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck – nicht die Sanktion pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses – zu erreichen.

Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann.

Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Absatz 2 in Verbindung mit § 323 Absatz 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (ständige Rechtsprechung des 2. Senats des BAG (Bundesarbeitsgericht), siehe nur Urteil vom 08.05.2014 -2 AZR 249/13).

1.1.2. Das Vorbringen der Beklagten erfüllt diese hohen Anforderungen nicht. Dem Kläger wird vorgeworfen, am 02.10.2021 zu einem Streik aufgerufen zu haben. Das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten ist unsubstantiiert und nicht geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.

1.1.2.1. Die Beklagte behauptet diesbezüglich, dass sich die Fahrer vor dem Warenlager versammelt hätten, um über die Einleitung eines Streiks abzustimmen und dass die Versammlung vom Kläger geleitet wurde. Es ist noch nicht mal vorgetragen worden, welchen konkreten Beitrag der Kläger dazu geleistet haben, soll. Es ist zu beachten, dass es hier unter anderem um die Frage von Entgeltzahlungen ging. Somit ist zu differenzieren, ob es sich bei diesem Verhalten um einen Streik oder die kollektive Ausübung eines Zurückbehaltungsrechtes nach § 273 Abs. 1 BGB handelt. Es ist auch noch nicht einmal vorgetragen worden, in welcher Sprache das Ganze stattgefunden haben soll. Der Vorgesetzte gibt seine Erklärungen stets in englischer Sprache ab.

Dies lässt den Schluss zu, dass er offenbar noch nicht einmal der deutschen Sprache mächtig ist. Wie will er also unterscheiden, ob es sich im Rechtssinne um ein Streikaufruf oder um die kollektive Ausübung eines Zurückbehaltungsrechtes gehandelt hat? Mithin geht es um eine kollektive Unzufriedenheit der Fahrer, die sich darin ausgedrückt hat, dass sie zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht gearbeitet haben. Auch ob der Kläger zu diesem Zeitpunkt überhaupt zur Schicht eingeteilt war, ist unklar. Soweit die Beklagte behauptet, der Kläger habe mit anderen Fahrern gesprochen und Informationen weitergegeben, hätte er lediglich als Sprachrohr anderer gehandelt. Dies bedeutet nicht per se einen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten.

1.1.2.2. Mithin ist festzuhalten, dass offenbar bei den Fahrern große Unzufriedenheit über unregelmäßige Entgeltzahlungen geherrscht hat und diese daraufhin temporär nicht gearbeitet hätten. Damit ist nicht automatisch gesagt, dass es sich um einen vom Kläger initiierten unrechtmäßigen Streik gehandelt habe.

1.1.2.3. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass das Streikrecht nicht kodifiziert ist und somit auch die propagierte Notwendigkeit, dass ein Streik gewerkschaftlich organisiert sein muss, keine gesetzliche Grundlage hat. Dementsprechend vertritt die Literatur (Däubler/Heuschmidt, Arbeitskampfrecht, Seite 172 Randnummer 51) auch die Auffassung, dass das ganze Spektrum von Handlungsmöglichkeiten, die Artikel 28 EU-GRC eröffnet, jeder Gewerkschaft, aber auch jeder gemeinsam handelnden Arbeitnehmergruppe zustehe. Artikel 28 EU-GRC schütze daher auch den nicht gewerkschaftlichen „wilden“ Streik. Entsprechende Bedenken wurden auch in der Tagespresse geäußert (Tagesspiegel vom 02.10.2021, Seite 8).

Mithin ist es keineswegs gesichertes Recht, dass ein Aufruf zu einem sogenannten wilden Streik einen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten darstellt. Die Frage, ob die Teilnahme hieran einen Kündigungsgrund darstellt, stellt sich somit heute grundlegend anders als vor dem Inkrafttreten der Europäischen Grundrechtecharter (vergleiche zur früheren Rechtslage Lorenz, AiB 1998, 655).

1.1.2.4. Selbst wenn aber ein Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten vorläge, fehlte es an einem Verschulden des Klägers. Angesichts der dargestellten durchaus vielschichtigen Rechtslage durfte der Kläger mit gutem Grund davon ausgehen, dass sein Verhalten, wie auch immer sich dieses konkret ausgestaltet haben mag, nicht rechtswidrig sei. Daran ändert auch die nach Behauptungen der Beklagten vorher erteilte Abmahnung nichts. Diese bezog sich auf ein unentschuldigtes Fehlen und nicht auf Streikaufrufe. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Kläger französischer Herkunft ist und das Streikrecht in Frankreich deutlich mehr Möglichkeiten eröffnet, als das deutsche.

1.1.2.5. Die behaupteten Äußerungen des Vorgesetzten im Zusammenhang mit der Nichtarbeit einzelner Fahrer erfüllt ebenfalls nicht die Voraussetzungen einer Abmahnung. Es ist auch unklar, in welcher Sprache was konkret gesagt worden sein soll.

1.2. Mithin fehlt es an einem wichtigen Grund für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung im Sinne von § 626 Absatz 1 BGB.

2. Gleiches gilt auch für die Folgekündigung vom 22.12.2021.

3. Die streitgegenständliche Befristung des Arbeitsverhältnisses ist unwirksam, da das Schriftformerfordernis nicht eingehalten worden ist. Gemäß § 14 Absatz 4 TzBfG (Teilzeit- und Befristungsgesetz) bedarf die Befristung eines Arbeitsvertrages zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Eine strenge Schriftform wie in § 623 BGB ist nicht vorgesehen. Daher kann die gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form durch die elektronische Form im Sinne von § 126a BGB ersetzt werden. Dazu muss der Aussteller der Erklärung dieser seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Bei einem Vertrag müssen die Parteien jeweils ein gleichlautendes Dokument in der entsprechenden Weise elektronisch signieren. Vorliegend hat der Kläger bestritten, dass seine Identität bei der Vertragsunterzeichnung auf eine seine Identität bei der Vertragsunterzeichnung für die qualifizierte elektronische Signatur notwendige Art und Weise sichergestellt worden sei. Diesbezüglich hat der Kläger in der Klageschrift bereits substantiiert vorgetragen (Seiten 5 fortfolgende der Klageschrift, Blatt 7 fortfolgende der Akten). Darlegungs- und beweispflichtig für eine wirksame qualifizierte elektronische Signatur ist die Beklagte. Die ist ihrer Vortragspflicht nicht hinreichend nachgekommen. Vielmehr hat sie den Ausdruck eines in englischer Sprache abgefassten Dokuments eingereicht (Anlage B 19, Blatt 413 der Akten) das keinen sicheren Rückschluss auf das Bestehen einer im Rechtssinne qualifizierten elektronischen Signatur zulässt.

Mithin ist die Befristung rechtsunwirksam.

Da das Arbeitsverhältnis fortbesteht, hat der Kläger grundsätzlich bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens einen Weiterbeschäftigungsanspruch. Dieser richtet sich gegen die Beklagte zu 2), da das Arbeitsverhältnis offensichtlich nunmehr erneut gemäß § 613 a Absatz 1 BGB übergegangen ist, und zwar nunmehr auf die Beklagte zu 2).