Bundesarbeitsgericht zur Befristung bei Erwerbsminderungsrente

Im Januar sind wir zwei Mal vor dem Bundesarbeitsgericht tätig. Am 14.01.2015 wird vom Bundesarbeitsgericht voraussichtlich über die Wirksamkeit der Regelung des § 33 Abs. 2 TVöD entschieden werden. Nach dieser tariflichen Regelung endet das Arbeitsverhältnis bei Gewährung einer unbefristeten vollen Erwerbsminderungsrente automatisch. Wir halten die Regelung für unwirksam. Behinderte werden damit diskriminiert.

Verfasst von Rechtsanwalt Martin Bechert 5. Januar 2015 · Aktualisiert: 30. Januar 2024

Der Fall:

Unser Mandant ist in den Vierzigern, schwerbehindert und ist seit Jahren im öffentlichen Dienst tätig. In der Dienststelle bestand nach dem Eindruck unseres Mandanten ein ungutes soziales Umfeld. Das belastete unseren Mandanten sehr. Es brach bei ihm eine lang andauernde Krankheit aus. Ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) wurde gleichwohl nicht durchgeführt. Nachdem das Krankengeld aufzulaufen drohte, beantragte unser Mandant die Gewährung von Erwerbsminderungsrente. Diese wurde unbefristet und voll bewilligt. Unser Mandant teilte dies seinem Dienstherrn mit. Der Dienstherr informierte unseren Mandanten daraufhin, dass wegen § 33 TVöD das Arbeitsverhältnis mit der Gewährung der Rente beendet sein würde.

Hiergegen wendete sich unser Mandant. Er will vom Arbeitsgericht bestätigt wissen, dass sein Arbeitsverhältnis weiterhin besteht. Einen adäquaten Job wird unser Mandant wohl schon aufgrund seines fortschreitenden Alters nicht mehr erhalten. Auch gibt ihm die Aussicht in ein Arbeitsverhältnis zurückkehren zu können Hoffnung. Er kämpft daher um seinen Arbeitsplatz. Sowohl das Arbeitsgericht, als auch das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Nunmehr muss – nach bereits erfolgreicher Nichtzulassungsbeschwerde – das Bundesarbeitsgericht entscheiden. Wir sind der Meinung, dass mit der Regelung in § 33 TVöD gegen das AGG bzw. gegen europäisches Recht verstoßen wird.

Hierzu im Einzelnen:

Behinderte Beschäftigte sind durch die Regelung des § 33 Abs. 2 TVöD nicht nur mittelbar, sondern auch unmittelbar benachteiligt und diskriminiert. Nach § 33 Abs. 2 TVöD endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats in dem der Bescheid eines Rentenversicherungsträgers zugestellt wird, wonach der Beschäftigte voll erwerbsgemindert ist. Diese Regelung trifft nach unserer Auffassung nur Menschen mit Behinderung. Lediglich Menschen mit Behinderung beziehen eine volle unbefristete Erwerbsminderungsrente.

Eine Behinderung schließt „einen Zustand ein, der durch eine ärztlich diagnostizierte heilbare oder unheilbare Krankheit verursacht wird, wenn diese Krankheit Einschränkungen mit sich bringt, die insbesondere auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen sind, die in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren den Betreffenden an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmer*innen, hindern können, und wenn diese Einschränkung von Dauer ist“ (EuGH Urteil vom 11.04.2013, C-335/11, C-337/11).

Die Voraussetzung für die Erteilung einer vollen unbefristeten Erwerbsminderungsrente ist nach § 43 Abs. 2 SGB VI, dass der Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Ein Mensch, der außerstande ist, auf nicht absehbare Zeit mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, fällt unserer Meinung nach unter die im Nichtdiskriminierungsrecht allein maßgelbliche europarechtliche Definition von Behinderung. Eine Krankheit ist nach diesen Definitionsmaßstäben dann eine Behinderung, wenn durch sie die volle und wirksame Teilhabe am Berufsleben gehindert ist. § 33 Abs. 2 TVöD gilt demnach ausschließlich für behinderte Menschen.

Es ist kein Fall vorstellbar, dass jemand eine volle unbefristete Erwerbsminderungsrente bezieht, ohne nach europäischer Definition behindert zu sein. Gilt eine Regelung ausschließlich für Menschen mit Behinderung so handelt es sich hierbei um eine direkte Diskriminierung, auch wenn die Regelung nicht direkt an die Eigenschaft der Behinderung anknüpft. Unmittelbar benachteiligende Regelungen sind nur dann gerechtfertigt, wenn der Diskriminierende die Ungleichbehandlung mit einem legitimen Grund rechtfertigen kann. Der Dienstherr hat hierzu im Prozess nicht einmal vorgetragen. Wenn sich unsere Sichtweise durchsetzen würde, so hätte das weitreichende Folgen für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, denn entsprechende Regelungen gibt es in vielen anderen Tarifverträgen in diesem Bereich. Der Dienstherr hätte zwar noch die Möglichkeit eine krankheitsbedingte Kündigung auszusprechen, dies beinhaltet aber regelmäßig auch eine intensive Prüfung, ob auch der Dienstherr arbeitgeberseitig helfen kann, die Krankheit zu überwinden.

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg – 18 Sa 2045/12 – vom 11.04.2013;
Bundesarbeitsgericht – 7 AZR 880/13 – (Termin zur mündlichen Verhandlung ist anberaumt auf den 14.01.2015)