Geänderte Kündigungsfrist durch Tarifvertrag

Die Dauer der Kündigungsfrist richtet sich grundsätzlich nach einem Tarifvertrag, wenn dieser auf das Arbeitsverhältnis anwendbar ist und arbeitsvertraglich keine günstigere Regelung (Günstigkeitsprinzip) vereinbart worden ist.

Ein Tarifvertrag ist grundsätzlich anwendbar, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

  • Beide Parteien sind reguläre Mitglieder der Tarifvertragsparteien, d.h. in der Gewerkschaft bzw. im Arbeitgeberverband
  • Die Anwendbarkeit des Tarifvertrages wurde arbeitsvertraglich vereinbart
  • Der Tarifvertrag wurde für allgemeinverbindlich erklärt

Ist kein Tarifvertrag anwendbar, richtet sich die Kündigungsfrist nach dem Arbeitsvertrag. Arbeitsvertragliche Regelungen können nicht wirksam zum Nachteil des Arbeitnehmers die gesetzlichen Fristen abkürzen. Eine Ausnahme gilt für bis zu drei Monaten beschäftigte Aushilfen und Arbeitnehmer in Betrieben mit nicht mehr als 20 Arbeitnehmern für die ersten zwei Jahre – Minimum vier Wochen Kündigungsfrist  (vgl. § 622 Abs. 5 Satz 1 BGB). Grundsätzlich ist die Verlängerung der Kündigungsfrist möglich, soweit die Frist des Arbeitnehmers nicht länger ist als die des Arbeitgebers.

Wenn der Arbeitsvertrag keine Regelung enthält oder auf das Gesetz verweist, dann richtet sich die einzuhaltende Dauer der Kündigungsfrist nach dem Gesetz (§ 622 BGB).

Gilt die gesetzliche Kündigungsfrist, so sind nach § 622 Abs. 1 BGB Arbeitnehmer und Arbeitgeber grundsätzlich berechtigt, unter Einhaltung der Grundkündigungsfrist mit einer Frist von vier Wochen, zum fünfzehnten oder zum Monatsende zu kündigen. Hiervon gibt es Ausnahmen. Die Wichtigste ist das Probearbeitsverhältnis.

Nach § 622 Abs. 2 BGB verlängert sich die Kündigungsfrist nur für den Arbeitgeber. Arbeitsvertraglich kann allerdings vereinbart werden, dass sich auch die Kündigungsfristen für den Arbeitnehmer entsprechend verlängern.

Nur für den Arbeitgeber verlängert sich die Kündigungsfrist gemäß § 622 Abs. 2 BGB, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen länger besteht, wie folgt:

  • Bei zwei Jahren auf einen Monat zum Ende des Kalendermonats,
  • bei fünf Jahren auf zwei Monate zum Ende des Kalendermonats,
  • bei acht Jahren auf drei Monate zum Ende des Kalendermonats,
  • bei zehn Jahren auf vier Monate zum Ende des Kalendermonats,
  • bei zwölf Jahren auf fünf Monate zum Ende des Kalendermonats,
  • bei fünfzehn Jahren auf sechs Monate zum Ende des Kalendermonats,
  • bei zwanzig Jahren auf sieben Monate zum Ende des Kalendermonats.

In dem Gesetz steht noch, dass bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer Zeiten, die vor dem 25. Lebensjahr des Arbeitnehmers liegen, nicht berücksichtigt werden. Dieser Passus des Gesetzes ist nicht mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar und daher wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nicht mehr anzuwenden. Es ist also auch bei jüngeren Arbeitnehmern die gesamte Dauer der Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen. Dies hat das Bundesarbeitsgericht  2 AZR 714/08 – mit Urteil vom 09. 09. 2010 entschieden.

Sind mehrere verschiedene Regelungen zur Dauer der Kündigungsfristen einschlägig, gilt nach dem Günstigkeitsprinzip die für den Arbeitnehmer günstigste.

Beispiel:
Bei der Anwendbarkeit eines Tarifvertrages, der eine zweiwöchige Kündigungsfrist vorsieht, vereinbaren die Parteien folgendes im Arbeitsvertrag:

“ … Im Übrigen finden auch die gesetzlichen Regelungen auf das Arbeitsverhältnis Anwendung.“

Nach der Probezeit will der Arbeitgeber kündigen. In diesem Fall ist neben der tarifvertraglichen auch die für den Arbeitnehmer günstigere gesetzliche Kündigungsfrist nach § 622 BGB vereinbart. Die einzuhaltende Kündigungsfrist richtet sich hier nach § 622 BGB, weil diese Regelung für den Arbeitnehmer günstiger ist.

Bei der Günstigkeitsprinzip finden die §§ 186 ff. BGB Anwendung.